PRÄVENTION UND INTERVENTION BEI GEWALT
Schutzkonzept in Alltagssprache
Oft die erste Reaktion, wenn es um dieses Thema geht. Leidvoll mussten wir jedoch feststellen, dass es natürlich zu Fällen von Gewalt kommen kann und auch schon kam. Manchmal vielleicht unterschwellig und ohne böse Absicht. Stress, Überforderung und eventuell fehlende Vorbereitung auf schwierige Situationen können dazu führen, dass wir nicht angemessen reagieren. Dies sollte uns allen bewusst sein. Wir müssen wachsam sein und einschreiten, wenn es notwendig ist. Eine Garantie, dass in unseren Einrichtungen die bestehenden Regeln immer und überall von allen konsequent eingehalten werden, gibt es nicht. Aber wir können gemeinsam die Rahmenbedingungen so setzen, dass wir ein Höchstmaß an Sicherheit erreichen, jegliche Form von Gewalt zu verhindern oder zumindest nicht unentdeckt zu lassen.
Die vorliegenden Präventions- und Interventionsbausteine sollen Handlungssicherheit für den Arbeitsalltag bieten und Instrumente für die Krisenintervention an die Hand geben. Einheitliche konzeptionelle Standards bilden die Basis für ein kollegiales Umfeld, das achtsam miteinander umgeht und Unterstützung anbietet, wenn es nötig wird.
Das vorliegende Schutzkonzept soll eine Kultur der Achtsamkeit und Verantwortung stärken sowie eine hohe Sensibilität für Gefährdungsräume und die Wahrnehmung von Vorfällen fördern. Es definiert strukturelle und pädagogische Standards, die (sexualisierter) Gewalt entgegen wirken. Es benennt konkrete Verfahrensschritte, um Hinweisen und/oder Verdachtsmomenten nachzugehen. Das Schutzkonzept richtet sich an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die haupt- und ehrenamtlich arbeiten, um bei auftretenden Fällen von Gewalt angemessen und unverzüglich reagieren zu können. Es steht allen Mitarbeiter*innen, Beschäftigten, Eltern, Angehörigen und Betreuer*innen und Interessierten in Papierform zur Verfügung.
Hinschauen und Ansprechen kann ein respektvolles und grenzwahrendes gemeinsames Miteinander fördern, um Gewalt vorzubeugen und zu verhindern.
Wenn Sie Hinweise oder Ergänzungen zu den Handlungsempfehlungen zur Prävention und Intervention bei Gewalt haben, freuen wir uns auf ihre Rückmeldung.
Mit den besten Grüßen
Alexander Marasch
Ich danke ausdrücklich den Teilnehmerinnen der Projektgruppe: Manuela Drigalsky, Sandra Gerstmann, Ute Görgens, Beatrix Mrutzek, Berit Rehkopp, Jennifer Querfurth und Sandy Zerbo.
Inhalt
Leitgedanken
Menschen mit Behinderung sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, Opfer von Grenzverletzungen zu werden. Sie sind sich oft nicht bewusst, das ihnen gegenüber ein unangemessen Verhalten stattfindet und sie beschweren sich seltener. Daraus kann ein Machtgefälle zwischen Mitarbeitenden und Beschäftigten entstehen, welches das Risiko einer Grenzverletzung, eines Übergriffes bis hin zu Gewalt erhöht.
Mit einer Kultur der Achtsamkeit, des Hinsehens und Ansprechens geht der Träger präventiv gegen jegliche Form von Gewalt vor. Denn in einem aufmerksamen Arbeitsumfeld haben es übergriffige Personen schwerer und Menschen können sich sicherer fühlen. Dem Träger ist jedoch bewusst, dass es keinen hundertprozentigen Schutz geben kann.
Prävention gegen Übergriffe und Grenzverletzungen bis hin zu Gewalt sind für unsere Mitarbeiter*innen Bestandteil ihres professionellen Handelns. Wir legen Wert darauf, dass ein Entwicklungsprozess auf allen Ebenen stattfindet. Alle Beteiligten sollen partizipativ einbezogen werden, um Haltungen und Verhalten zu reflektieren, die zu handlungsleitenden Orientierungen im Arbeitsalltag führen. Die Erarbeitung der gesamten Bausteine des Schutzkonzeptes haben wir beteiligungsorientiert angelegt.
Es soll:
- Gespräche über Verbindlichkeit und Achtsamkeit anregen bzw. aufrecht erhalten,
- allen Beteiligten Orientierung und Sicherheit geben sowie
- befähigen, Verantwortung für den Schutz der uns anvertrauten Beschäftigten zu übernehmen.
- befähigen, Verantwortung für den Schutz der eigenen Rolle zu übernehmen
Dies kann nur gelingen, wenn das Unternehmen von einer Grundhaltung der Achtsamkeit, des Respektes und der Wertschätzung getragen wird, die die Verantwortung der Mitarbeiter*innen untereinander ernst nimmt und sichtbar werden lässt. Das bedeutet auch, dass ein Schutzkonzept ein erkennbarer Qualitätsentwicklungsprozess ist, der in das Qualitätsmanagement des Unternehmens eingebettet werden muss.
Es werden Beschwerdewege für die Beschäftigten und die Mitarbeiter*innen beschrieben. Diese Verfahrenswege sind im Qualitätsmanagement hinterlegt. Darüber hinaus sind interne und externe Beratungsstellen benannt. Die Sicherstellung der Überprüfung des Konzeptes ist im Qualitätsmanagement des Trägers verankert. Nach spätestens fünf Jahren bzw. nach einer Krisenintervention ist im Kontext der nachhaltigen Aufarbeitung eine Überprüfung notwendig.
Leitsätze aus dem Verhaltenskodex
Jeder Mensch zeigt in jeder Situation das beste Verhalten, das ihm zur Verfügung steht.
Professionell handeln bedeutet für uns, sich der eigenen persönlichen Grenzen und Haltungen bewusst zu sein.
Die folgenden Leitsätze sind ein Auszug aus dem Verhaltenskodex (siehe auch 3.2). Um eine Orientierung im Arbeitsalltag zu geben und das Bewusstsein zu schärfen, hängen diese in Form eines Plakates in allen Gruppen. Sie dienen auch als Gesprächsgrundlage in regelmäßig stattfindenden Teams/Arbeitskreisen.
Analog dazu hängen die Leitsätze für die Beschäftigten in Leichter Sprache aus.
Die Leitsätze
- Wir tragen gemeinsam Verantwortung für die Achtung von Grenzen und den Schutz vor jeglicher Form von Gewalt für alle Menschen, die bei uns arbeiten.
- Wir sind uns bewusst, dass wir Macht ausüben können und gehen verantwortungsvoll damit um.
- Wir sind wachsam, schauen hin und sprechen an.
- Wir dokumentieren professionell jegliche Form von grenzverletzendem Verhalten zeitnah, sachlich, aufmerksam und lückenlos.
- Wir gehen wertschätzend miteinander um und respektieren persönliche Grenzen.
- Wir achten in Bezug auf Nähe und Distanz auf einen angemessenen Körperkontakt und berücksichtigen persönliche Empfindungen.
- Wir achten auf eine verständliche und leichte Sprache.
- Wir gestalten Pflegesituationen respektvoll.
Begriff und Ausprägung von Gewalt.
Die Entwicklung einer gemeinsamen Sprache zu den Begrifflichkeiten Grenzverletzung, Übergriff und Gewalt wurde in allen vorhandenen Teams des Trägers diskutiert. Entschieden wurde sich für nachfolgende Definitionen.
Die Bundesvereinigung der Lebenshilfe unterscheidet verschiedene Formen von Gewalt:
Strukturelle Gewalt
Sie äußert sich in Strukturen, Werten, Normen und Machtverhältnissen, die Menschen darin einschränken, sich in ihren Bedürfnissen zu entfalten. Gewalt hat einen ausbeuterischen, aggressiven Charakter und setzt ein Machtgefälle voraus, das durch Ausnutzung einer Überlegenheit entsteht. Dies kann sich in starren Plänen und Regeln, in eingeschränkten Wahlmöglichkeiten bzgl. des Arbeitsplatzes, mangelnder Transparenz oder Mitwirkungsmöglichkeiten der Beschäftigten, in ungenügender räumlicher personeller oder baulicher Ausstattung oder unzureichender arbeitsbegleitender Maßnahmen zeigen.
Verbale Gewalt
Verbale Gewalt äußert sich beispielsweise durch unangemessene, achtlose Dokumentation, Manipulation, Leugnung, verbale Übergriffe, Beleidigung, Beschimpfung, Vorenthalten von Informationen und Wahlmöglichkeiten, Ignoranz, Zynismus oder schwer verständliche Sprache.
Körperliche Gewalt
Diese Form der Gewalt äußert sich durch Schläge, das Werfen von Gegenständen, aber auch Schieben und Ziehen, Festhalten und Einsperren zählen dazu. Freiheitsentziehende Maßnahmen können ebenso empfunden werden.
Sexualisierte Gewalt
Sexualisierte Gewalt ist ein massiver Eingriff in die Intimsphäre einer anderen Person gegen ihren Willen. Sie wird oft als Mittel zur Demütigung und Machtdemonstration angewandt.
Unter sexualisierter Gewalt wird jegliche Form von Gewalt verstanden, die sich in sexuellen Übergriffen ausdrückt. Der Begriff „sexualisierte“ Gewalt macht deutlich, dass die sexuellen Handlungen als Mittel zum Zweck, also zur Ausübung von Macht und Gewalt, vorgenommen werden. Sexualisierte Gewalt findet deshalb oft in Abhängigkeitsverhältnissen statt.
Sexualisierte Gewalt äußert sich auch durch sexuelle Belästigung, zum Beispiel in Form von:
- sexuellen Anspielungen, obszönen Worten oder Gesten
- aufdringlichen und unangenehmen Blicken
- Briefen oder elektronischen Nachrichten mit sexuellem Inhalt
- dem unerwünschten Zeigen oder Zusenden von Bildern oder Videos mit pornografischem Inhalt
- sexualisierten Berührungen
Psychische Gewalt
Seelische, auf emotionaler Ebene ausgeübte Gewalt ist schwerer zu identifizieren als körperliche Misshandlungen. Sie ist daher seltener Gegenstand der Forschung und öffentlicher Diskussion. Das Spektrum psychischer Gewalthandlungen ist jedoch sehr umfangreich, die Narben sind meist schwerer zu heilen als bei physischen Übergriffen.
Isolation und soziale Gewalt zielen darauf ab, die betroffene Person zu isolieren (z.B. durch ein Kontaktverbot zur Familie oder zu Freund/innen, das Einsperren zu Hause, das Absperren des Telefons usw.). Bei Kindern zählt zu diesem Bereich auch der Liebesentzug.
Drohungen, Nötigungen und Angstmachen sind häufige Formen von psychischer Gewalt. Auch die Androhung, Dritte zu verletzen (Verwandte, Haustiere, …) wird eingesetzt, um bestimmte Ziele zu erreichen. Durch Drohungen und Angstmachen „erübrigt“ sich oft die Anwendung von physischer Gewalt, da die Angst davor bereits einschüchternd wirkt. Diese Strategien bedeuten vor allem für Frauen und Kinder ein Leben in Angst.
Beschimpfungen, Abwertungen und Diffamierungen dienen der Zerstörung des Selbstwertgefühls des Opfers und seiner/ihrer geistigen Gesundheit. Mit der Zeit wird der Glaube an den eigenen Wert, die Identität und die eigenen Empfindungen, an Rechte oder Wahlfreiheit, zerstört. Von dieser Gewaltform sind Frauen und Männer gleichermaßen betroffen.
Zu dieser Form der Gewalt gehört z.B. das Lächerlich machen in der Öffentlichkeit durch beleidigende und abfällige Äußerungen. Sehr häufig werden Behauptungen aufgestellt wie: die Frau/der Mann sei verrückt oder psychisch krank, bilde sich etwas ein, sei selbstmordgefährdet, etc. Diese Äußerungen werden oft benutzt, um von den eigenen Taten abzulenken und die Frau/den Mann „zum Problem zu machen“.
Belästigung und Terror. Gemeint sind z.B. ständige Anrufe, Anrufe mitten in der Nacht, Drohbriefe, Bespitzelung und Verfolgung am Arbeitsplatz und zu Hause („Stalking“ genannt). Von diesen gewalttätigen Handlungen sind Frauen besonders betroffen.
Für die Entwicklung von Präventions- und Interventionsbausteinen ist es unerlässlich, Klarheit und Bewusstsein über die unterschiedlichen Dimensionen von Gewalt herzustellen.
Um angemessen und professionell zu agieren, ist eine gemeinsame Sprache über den Gewaltbegriff unabdingbar. Der Träger unterscheidet drei Formen von Gewalt: Grenzverletzung, Übergriff und Übergriff mit strafrechtlicher Relevanz. Der Träger orientiert sich zur Definition des Gewaltbegriffes an Nachfolgendem.
Das Institut für Professionelles Deeskalationsmanagement (ProDeMa®) hat im Rahmen der Ausbildung zur Deeskalationstrainer*innen Gewalt folgendermaßen definiert:
„Mittelhochdeutsch (giwalt): (walten = stark sein, herrschen)
Befugnis, das Recht und die Mittel, über jemanden, über etwas, zu bestimmen, zu herrschen.“
Es wird immer dann von Gewalt gesprochen, wenn eine betroffene Person, vorübergehend oder dauerhaft daran gehindert wird, ihrem Wunsch oder ihren Bedürfnissen entsprechend zu leben. Gewalt heißt also, dass ein ausgesprochenes oder unausgesprochenes Bedürfnis des Opfers missachtet wird.
Grenzverletzungen
Grenzverletzungen sind unbeabsichtigte, einmalige unangemessene Verhaltensweisen. Sie können durch eine unangemessene, intime körperliche Nähe im Alltag entstehen. Sie sind korrigier- und veränderbar.
Maßstab der Bewertung eines Verhaltens als grenzverletzend sind nicht nur objektive Faktoren, sondern ebenso das jeweils subjektive Erleben. Im Arbeitsalltag sind Grenzüberschreitungen nicht ganz zu vermeiden. Zufällige und unbeabsichtigte Grenzverletzungen (zum Beispiel eine unbeabsichtigte Berührung oder Kränkung durch eine als verletzend erlebte Bemerkung) sind im alltäglichen Miteinander korrigierbar, wenn die grenzverletzende Person dem Gegenüber mit einer grundlegend respektvollen Haltung begegnet. Es ist zum Beispiel Ausdruck eines achtsamen Umgangs, wenn eine sich grenzverletzend verhaltende Person aufgrund der Reaktion des Gegenübers oder durch Hinweise von Dritten sich der von ihm/ihr unbeabsichtigt verübten Grenzverletzung bewusst wird, sich entschuldigt und darum bemüht, unbeabsichtigte Grenzverletzungen in Zukunft zu vermeiden.
Beispiele für Grenzverletzungen
- Missachtung persönlicher Grenzen: eine tröstende Umarmung, obgleich dies dem Gegenüber unangenehm ist
- die unbedachte Verwendung von Kosenamen wie „Schatz“ oder „Süßer“
- Missachtung von Persönlichkeitsrechten – Die Verletzung des Rechts am eigenen Bild durch Veröffentlichung von Bildmaterial über Handy oder im Internet.
- Zeigen pornographischer, gewaltverherrlichender Bilder, Videos
- eine unbedachte verletzende Bemerkung
- Missachtung der Grenzen der professionellen Rolle, z.B. ein Gespräch über das eigene Sexualleben
- eine versehentliche unangenehme Berührung
- Anzügliche, aufdringliche Blicke, Bemerkungen
- Missachtung der Schamgrenze und Intimsphäre, Berührungen im Intimbereich
- Gelegentliche grenzüberschreitende Rangeleien, die beispielsweise zu unbeabsichtigten Verletzungen führen
- Bagatellisierung von Grenzverletzungen durch Beschäftigte
- Die eigene Verantwortung für den Schutz von Beschäftigten nicht wahrnehmen („regelt das untereinander, ihr sollt doch nicht petzen“)
- Unangemessene Sanktionen
Übergriffe
Übergriffe unterscheiden sich von Grenzverletzungen dadurch, dass sie nicht zufällig passieren, nicht aus Versehen. Sie resultieren vielmehr aus persönlichen und/oder grundlegenden fachlichen Defiziten. Sie sind in der Regel beabsichtigt.
Sicherlich sind nicht alle übergriffigen Handlungen im Detail geplant, doch entwickelt sich ein übergriffiges Verhalten/übergriffiges Verhaltensmuster nur, wenn Mitarbeitende oder Beschäftigte sich über gesellschaftliche/kulturelle Normen, institutionelle Regeln, den Widerstand der Betroffenen und/oder fachliche Standards hinwegsetzen.
Beispiele für Übergriffe
- ständige Missachtung des Rechts am eigenen Bild durch Veröffentlichung von Bildmaterial im Internet, z.B. über Handy
- Beschäftigte als „seelischen Mülleimer“ für eigene Probleme benutzen/missbrauchen
- systematische Verweigerung von Zuwendung
- Sanktionierung/Bloßstellen von unverschuldeten, persönlichen Defiziten
- verbale Demütigungen bzw. rassistische oder sexistische Abwertung
- Beschäftigten in Überforderungssituationen die Unterstützung verweigern
- Machtmissbrauch: die aus der Rolle als Mitarbeiter*innen resultierende Definitionsmacht nutzen, um Beschäftigte gefügig zu machen
- abwertende Qualitätsurteile/Bemerkungen über Beschäftigte bzw. deren Angehörige
- wiederholtes Flirten der Mitarbeiter*innen mit Beschäftigten (zum Beispiel – vermeintlich scherzhafte – Aufforderung zum Kuss, mit besonderen Kosenamen ansprechen: „Schatz“, „Liebste“, „Süßer“)
- Voyeurismus (zum Beispiel unter den Rock gucken)
- aufreizende Kleidung von Mitarbeiter*innen im Berufsalltag
- wiederholte Missachtung der Schamgrenzen und Intimsphäre
- wiederholte Missachtung einer adäquaten körperlichen Distanz
- gezielte/wiederholte, angeblich zufällige Berührungen der Genitalien (zum Beispiel bei Pflegehandlungen und bei Hilfestellungen im alltäglichen Umgang)
Strafrechtlich relevante Formen von Gewalt
Das Strafrecht versteht Gewalt als körperlich wirkenden Zwang durch die Entfaltung von Kraft oder sonstiger Einwirkung, die nach ihrer Intensität dazu geeignet ist, die freie Willensentscheidung oder Willensbetätigung eines anderen zu beeinträchtigen. Damit erfasst das Strafrecht nicht alle menschlichen Verhaltensweisen die Betroffene subjektiv als Gewalt bewerten, sondern beschränkt sich auf Handlungen, die so gewichtig sind, dass sie verboten werden müssen. Strafrechtlich relevante Gewalthandlungen können aktiv oder durch Unterlassung begannen werden. Strafbar macht man sich grundsätzlich nur mit vorsätzlichem Handeln.
Strafrechtlich relevante Formen der Gewalt liegen unter anderem vor:
- Körperverletzung § 223 StGB
- Freiheitsberaubung § 239 StGB
- Nötigung § 240 StGB
- Beleidigung § 185 StGB
- Sachbeschädigung § 303 StGB
- Straftaten gegen sexuelle Selbstbestimmung
Der Träger orientiert sich an den geltenden gesetzlichen Regelungen.
Übergriffige und betroffene Personen
Mit der Verwendung des Begriffs „übergriffige Personen“ soll die Verantwortung für die Tat auf Seiten der übergriffigen Personen sowie dem zugrundeliegenden Machtmissbrauch betont werden. Der Begriff „betroffene Personen“ macht auf die Verletzungen der persönlichen Grenzen und der Integrität der von Gewalt Betroffenen aufmerksam. Er verdeutlicht ferner ihre Unterdrückung sowie ihre Unfreiwilligkeit bei Grenzverletzungen und Übergriffen am Arbeitsplatz.
Grenzverletzungen und Übergriffe bis hin zu Gewalt können auf unterschiedlichen Ebenen stattfinden zwischen:
- Beschäftigte – Mitarbeiter*innen
- Mitarbeiter*innen – Beschäftigte
- Mitarbeiter*innen – Mitarbeiter*innen
- Beschäftigte – Beschäftigte
Ergänzend sind externe Mitarbeitende beispielsweise Fahrdienstmitarbeiter*innen, Handwerker*innen, Therapeut*innen mit zu berücksichtigen. Auch sie können betroffene oder übergriffige Personen sein.
Bausteine der Prävention
Gewalt ist eine Form von Machtmissbrauch. Prävention muss das Ziel haben, Machtgefälle auf allen Ebenen (der institutionellen und individuellen) wahrzunehmen, zu reduzieren oder zu verhindern. Gemäß Artikel 6 und 16 der UN Behindertenrechtskonvention ist es Pflicht, Menschen mit Behinderung vor (sexualisierter) Gewalt zu schützen, Präventionsmaßnahmen einzusetzen sowie einen angemessenen Schutz der betroffenen Personen sicherzustellen.
Die Verantwortung zur Vorbeugung und Verhinderung von (sexualisierter) Gewalt liegt bei der erweiterten Geschäftsleitung und den Personalverantwortlichen, die die organisatorische und/oder personelle Verantwortung tragen. In ihrer Verantwortung liegt es, angemessene Maßnahmen der Prävention sicherzustellen.
Der Träger unterscheidet drei Ebenen:
Primäre Prävention
Maßnahmen, die Übergriffe im Vorfeld verhindern z.B. Aufklärungsarbeit.
Sekundäre Prävention
Konkrete Fälle von (sexualisierter) Gewalt zu erkennen, aufzudecken und zu beenden.
Tertiäre Prävention
Aufarbeitung der erlebten Gewalt durch beispielsweise Fachkräfte des Trägers und/oder Beratung durch externe Fachkräfte.
In den nachfolgenden Handlungsempfehlungen/Bausteinen werden alle drei Präventionsebenen mit unterschiedlichen Gewichtungen in den Blick genommen.
Die Risikoanalyse
Ein grundlegender Baustein zur Entwicklung von Präventionsmaßnahmen ist die Risikoanalyse. Sie ist ein Instrument, um sich über Gefahrenpotenziale und Gelegenheitsstrukturen im Unternehmen bewusst zu werden.
Die Risikoanalyse überprüft im Sinne einer Bestandsaufnahme, ob in der alltäglichen Arbeit und den Organisationsstrukturen Risiken oder Schwachstellen bestehen, die die Ausübung von Grenzverletzungen und Übergriffen ermöglichen oder sogar begünstigen.
Ablauf- und Entscheidungsstrukturen sollen unter dem Aspekt der Transparenz, sowie der Verantwortlichkeit und Rollenklarheit aus Trägerperspektive untersucht/geprüft werden, um Risikofaktoren zu erkennen.
Im Rahmen der Risikoanalyse fand im Jahr 2018 eine unternehmensweite anonyme Befragung in Form eines Fragebogens statt. Drei Gruppen wurden befragt: die Führungskräfte (erweiterte Geschäftsleitung, Leitungsverantwortliche), Mitarbeiter*innen und, in leichter Sprache, die Beschäftigten. Die Ergebnisse der Befragung und die sich daraus ergebenden Handlungsbedarfe sind in allen Teams und relevanten Gremien diskutiert worden und sind in das Schutzkonzept integriert.
Die Gesamtauswertung der Risikoanalyse ist im Qualitätsmanagement QMS (Y:) Prävention-Intervention-bei-Gewalt ! hinterlegt.
Der Verhaltenskodex
Ziel ist es, den Mitarbeiter*innen eine Orientierung für ein angemessenes Verhalten zu geben und einen Rahmen zu schaffen, der Grenzverletzungen und jegliche Formen von Gewalt, insbesondere sexualisierte Gewalt, verhindert. Im Mittelpunkt stehen die Beschäftigten. Die Verantwortung für deren Schutz vor jeglicher Form von Gewalt, liegt bei den Mitarbeiter*innen, die sich in einem von Achtsamkeit geprägten Klima begegnen sollen.
Es werden Verhaltensregeln formuliert, die ein fachlich adäquates Nähe-Distanz-Verhältnis, einen respektvollen Umgang und eine offene Kommunikation gegenüber den Beschäftigten und den Mitarbeiter*innen untereinander regeln. Alle Mitarbeiter*innen sind aufgefordert, den Verhaltenskodex (Anlage 1) zu unterzeichnen. Die Unterzeichnung ist die verbindliche Voraussetzung für die Anstellung und Weiterbeschäftigung.
Die Beschäftigten erhalten zusammen mit dem Werkstattvertrag die Werkstattregeln, und das Schutzkonzept in leichter Sprache „So schützen wir uns vor Gewalt bei der Arbeit“ (siehe auch 4.3).
Deeskalationsmanagement
Hauptziel der Implementierung des Deeskalationsmanagements ist es, Mitarbeiter*innen für einen sicheren Umgang mit Situationen, die ein hohes, eskalierendes Erregungspotential bergen, zu schulen. Die hieraus generierten Effekte bieten den Mitarbeiter*innen ein höheres Maß an Arbeitssicherheit und ein höheres persönliches Sicherheitsgefühl im Arbeitsalltag. Durch die Schulung der gesamten Mitarbeiterschaft erhöht sich die Qualität der geleisteten Betreuungsarbeit. Hiervon profitieren alle Beschäftigten in direktem Maße.
Zur Realisierung sind zunächst drei Mitarbeiter*innen zu Deeskalationstrain*innen ausgebildet worden. Sie haben die Aufgabe, Deeskalationsmanagement in allen Betriebsstätten zu implementieren. Sie schulen alle Mitarbeiter*innen des Unternehmens.
Inhalt der Inhouse-Schulungen ist das 7 Stufenmodell der Deeskalation nach dem Konzept des Instituts für Professionelles Deeskalationsmanagement (ProDeMa®).
Inhaltlich gehen die Schulungen auf folgende Themenschwerpunkte ein:
- Prävention: Verhinderung von eskalierenden Situationen im Vorfeld
- verbale Deeskalation
- mitarbeiterschonende Flucht- und Abwehrtechniken
- Nachsorge: Kollegiale Ersthilfe und Nachsorge
Um die Implementierung des Deeskalationsmanagements innerhalb des Unternehmens auch öffentlich deutlich zu machen, wurde das Leitbild um folgenden Aspekt ergänzt:
„Wir stellen uns der Aufgabe, Verhaltensabläufe zu lernen und Prozessabläufe zu entwickeln, die unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Gewalt jeglicher Art schützen können.“
Der Träger bietet dreitägige Inhouse-Schulungen für neue Mitarbeiter*innen und fortlaufend Auffrischungskurse für das Bestandspersonal an. Für alle Mitarbeiter*innen ist die Schulung verpflichtend.
Kollegiale Fallberatung
Die kollegiale Fallberatung, auch Intervision genannt, ist ein lösungsorientiertes Reflexions- und Beratungsinstrument, welches niederlassungsübergreifend zur Prävention genutzt werden kann. Sie wird eingesetzt, um Lösungen bei fachlichen Fragen und Problemstellungen zu finden. Das Konzept ist im Qualitätsmanagement QMS (Y:) unter Arbeitsanweisungen und Informationsschriften hinterlegt.
Arbeitshilfe zum Umgang mit herausforderndem und fremdgefährdendem Verhalten
Die Arbeitshilfe soll als Checkliste für die Entwicklung eines Maßnahmekonzeptes und für die Bearbeitung der Problematik mit herausforderndem Verhalten und erheblicher Fremdgefährdung dienen. Der Schutz der Beschäftigten und der Mitarbeiterschaft sowie der Person von der fremdaggressives Verhalten ausgeht, steht hier eindeutig im Vordergrund. Bei herausforderndem und fremdgefährdendem Verhalten soll die Arbeitshilfe einen umfassenden Überblick über mögliche und notwendige Handlungsempfehlungen zur Prävention und Intervention geben.
Wir sprechen hier auch von Gewalthandlungen, die eindeutig verboten sind bzw. mit Vorsatz strafrechtlich relevant sein können (u.a. Körperverletzung, Freiheitsberaubung, Nötigung, Straftaten gegen sexuelle Selbstbestimmung…). Die Arbeitshilfe ist im Qualitätsmanagement QMS (Y:) unter Arbeitsanweisungen und Informationsschriften hinterlegt.
Arbeitssicherheit
Ein weiter Baustein zur Prävention ist die Arbeitssicherheit. Sie hat zur Aufgabe, für Arbeitssicherheit bei den Mitarbeiter*innen und Beschäftigten zu sorgen, den Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung, sowie in allen Fragen der Arbeitssicherheit einschließlich der menschengerechten Gestaltung der Arbeit zu unterstützen. Im Qualitätsmanagement sind Verfahrensanweisung und Arbeitssicherheitskonzepte hinterlegt (QMS(Y:).
Freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM)
Erfolgt eine Maßnahme regelmäßig oder auf Dauer oder ist sie in ihrer Intensität hinsichtlich der mit ihr verbundenen Konsequenzen hoch, wird sie als FEM bezeichnet. Die Arbeitshilfe beschreibt die Begrifflichkeit, das Genehmigungsverfahren, nennt Fallbespiele und Präventionsmöglichkeiten. Eine Checkliste sowie ein Moderationsleitfaden zur Fallberatung im Kontext FEM runden das Bild ab.
Die Arbeitshilfe ist im Qualitätsmanagement QMS (Y:) Prävention-Intervention-bei Gewalt ! hinterlegt.
Personalauswahl und Entwicklung
Der Träger ist aufgefordert sicherzustellen, dass er nur geeignetes Personal einstellt. Dies bezieht sich sowohl auf die fachliche Kompetenz als auch auf die persönliche Eignung. Personen, die rechtskräftig wegen einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung verurteilt sind, dürfen nicht zum Einsatz kommen. Im Rahmen der BTHG-Gesetzgebung § 75 „Einrichtungen und Dienste“ Abs. 2 SGB XII, ist die verpflichtende Vorlage von erweiterten Führungszeugnissen geregelt. Die zuständigen Personalverantwortlichen sprechen den Themenkomplex „Gewalt“ an und sind für Prävention aufmerksam und sensibel und sorgen in der Personalentwicklung und für angemessene Aus- und Fortbildung.
Personalakquise
Mit allen Bewerber*innen, unabhängig davon, ob es sich um handwerkliches, pädagogisches therapeutisches oder Personal in der Verwaltung handelt und unabhängig von der Art ihres Beschäftigungsverhältnisses, wird im Vorstellungsgespräch auf das trägerinterne Schutzkonzept zum Umgang mit Grenzverletzungen und Übergriffen bis hin zu Gewalt hingewiesen.
Das Schutzkonzept ist Bestandteil der Checkliste zur Einarbeitung neuer Mitarbeiter*innen.
Personalführung
Die Personalverantwortlichen sollten auf allen Ebenen Wert auf regelmäßige Feedback- Gespräche zwischen den Vorgesetzten und den Mitarbeiter*innen legen.
Dazu hat der Träger folgendes implementiert:
- jährliche Mitarbeiter*innen–Gespräche
- Regelmäßige Teamsitzungen
- Supervision
- Kollegiale Beratung
- Externe Beratung
Mitarbeiter*innen werden dazu ermutigt, eigene Unsicherheiten und Fehler anzusprechen. Dafür bedarf es der Unterstützung der Vorgesetzten, den Fokus nicht auf den Fehler und mögliche Sanktionierungen zu richten, sondern gemeinsam nach (neuen) Lösungen und Handlungsoptionen zu suchen. Personalverantwortliche setzen sich dafür ein, dass es keine Tabuthemen gibt und alle Themen – auch Grenzverletzungen, Übergriffe und Gewalt – offen angesprochen werden können. Dies alles setzt eine Atmosphäre des Vertrauens, des Respekts und der Wertschätzung in den Teams voraus.
Die Personalverantwortlichen wirken in Zusammenarbeit mit den Mitarbeiter*innen darauf hin, die Kultur des Hinsehens (weiter) zu entwickeln, so dass Mitarbeiter*innen nicht aus Angst und Überforderung schweigen und wegsehen, sondern Position beziehen und verantwortungsvoll handeln.
Weiterbildung/Qualifizierung für Mitarbeiter*innen
Mitarbeiter*innen werden motiviert und gefördert, regelmäßig an internen oder externen Informations- und Fortbildungsveranstaltungen sowie Fachtagungen zu Themen wie beispielsweise respektvolle Begegnungen, Nähe und Distanz, Grenzverletzungen und Übergriffe teilzunehmen. Sie werden darin geschult, Verdachtsmomente zu erkennen um adäquat darauf zu reagieren.
Inhouse-Schulungen sind zur Erarbeitung und Weiterentwicklung von konkreten Handlungsschritten sowie Vorgehensweisen im Team geeignet und bieten eine gute Möglichkeit, neue Mitarbeiter*innen in das Thema und in die Haltung des Trägers einzuführen. Der Träger bietet für Mitarbeiter*innen Schulungen und Informationsveranstaltungen an. Die Ansprechpartner*innen vor Ort halten Informationsmaterial zur Verfügung. In den turnusmäßig stattfindenden Teams ist das Thema “Prävention/Intervention bei Gewalt“ wiederkehrender Tagesordnungspunkt.
Erweitertes Führungszeugnis und Selbstauskunftserklärung
Grundsätzlich ist die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses für alle Mitarbeiter*innen verpflichtend. Bei Neueinstellungen ist dieses spätestens innerhalb der Probezeit vorzulegen. Bei einem Praktikum ab vier Wochen wird ebenfalls ein erweitertes Führungszeugnis verlangt.
Zusammen mit dem Arbeitsvertrag ist eine Selbstverpflichtungserklärung zu unterzeichnen, die versichert, wegen keiner Straftat nach §§ 171, 174 bis 174 c, 176 bis 180a, 181a, 182 bis 184f, 225, 232 bis 233a, 234, 235, 236 oder 238 des Strafgesetzbuches verurteilt zu sein bzw. kein Ermittlungsverfahren in diesen Fällen anhängig ist. Zudem verpflichten sich die Mitarbeiter*innen in der Erklärung, dem Dienstvorgesetzten bzw. dem Arbeitgeber umgehend die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens auf Grund der zuvor genannten Straftaten mitzuteilen.
Personen, die im Zusammenhang mit unserem Unternehmen regelmäßig wiederkehrende Dienstleistungen für Beschäftigte durchführen, müssen über ihrem Arbeitgeber bestätigen lassen, dass sie ein einwandfreies erweitertes Führungszeugnis vorweisen können.
Frauenbeauftragte
Am 01.01.2017 ist im Rahmen der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes unter anderem die Novellierung der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung in Kraft getreten. 2017 wurden die Frauenbeauftragen und ihre Stellvertreterinnen gewählt. Allen Frauenbeauftragten stehen Vertrauenspersonen unterstützend zur Seite.
Sie vertreten die Interessen der beschäftigten Frauen, insbesondere in folgenden Bereichen:
- Gleichstellung von Männern und Frauen
- Vereinbarung von Familie und Beschäftigung
- Schutz vor körperlicher, sexueller und psychischer Belästigung oder Gewalt
In Absprache mit dem Werkstattrat und der Vertrauenspersonen werden regelmäßige Sprechstunden angeboten. Sie sind auch über Telefon und Email erreichbar.
Maßnahmen zur Stärkung der Beschäftigten
Im Rahmen der Primärprävention sind die Beschäftigten und deren Angehörige/gesetzliche Betreuer*innen eine weitere Zielgruppe. Sie können sowohl Betroffene als auch übergriffige Parteien sein, aber auch Zeuginnen und Zeugen und Ansprechpersonen für die Betroffenen. Der Träger ermöglicht geeignete Maßnahmen, die zur Stärkung der Beschäftigten im Umgang mit dem Thema Gewalt dienen.
Der Bildungskatalog „Gemeinsam Perspektiven schaffen“ bietet ein breites Kursangebot zu unterschiedlichen Themen auch Angebote zur Prävention. Der Katalog steht in gedruckter Form allen zur Verfügung. Die Kursangebote sind beim Werkstattrat, den Ansprechpartner*innen vor Ort und im Sozialen Dienst bekannt. Kommunikationshilfen in Leichter Sprache hält der Soziale Dienst in den einzelnen Betriebsstätten bereit.
Der Werkstattrat informiert in Kooperation mit der Frauenbeauftragten die Beschäftigten über die Gruppensprecherversammlungen in den einzelnen Betriebsstätten über Fortbildungsangebote. Er nimmt Wünsche und Anregungen der Beschäftigten entgegen und leitet diese an den Sozialen Dienst bzw. an die Abteilungsleitung Fort- und Weiterbildung weiter.
Modell-Projekt: frauen.stärken.frauen. (2018-2021)
Frauen mit Lernschwierigkeiten können sich zu Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungs-Trainerinnen (WenDo) ausbilden lassen. Grundprinzip der Ausbildung ist ein inklusives Trainerinnen-Tandem. Eine Frau mit Lernschwierigkeiten wird zusammen mit einer Mitarbeiterin aus einer Mädchen/Frauen-Beratungsstelle, Werkstatt oder einem Wohnheim ausgebildet. Die LHW nimmt mit einer Beschäftigten und einer Mitarbeiterin an der Ausbildung teil. Nach der Ausbildung bieten die Trainerinnen-Tandems Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskurse für die Frauen in unseren Niederlassungen an. Darüber hinaus wird es in Absprache mit unseren Netzwerkpartner*innen Angebote für unsere Kooperationspartner*innen (Förderschulen, Werkstätten, Wohneinrichtungen, Beratungsstellen, Selbsthilfegruppe) geben.
Die zukünftigen Trainerinnen sind damit wichtige Vorbilder für Mädchen und Frauen mit Lernschwierigkeiten. Sie werden zu Botschafterinnen für Einrichtungen der Behindertenhilfe und Beratungsstellen. Das Projekt leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen mit Behinderungen. Es bietet Beratungsstellen einen neuen, auf Nachhaltigkeit angelegten Weg, (noch) inklusiver zu werden.
Die Ausbildungsinhalte
- Modul 1: „Basis“ (Methodenerwerb und Selbsterfahrung)
- Modul 2: „Didaktik“ (Anwendung der erlernten Methodik)
- Modul 3 „Transfer in die Praxis“ (Begleitung beim Einstieg in die Praxis)
Das dritte Modul dient der Begleitung der ausgebildeten Trainerinnen-Teams in die Praxis.
Der Ausbildungs-Anbieter: Zentrum für inklusive Bildung und Beratung (ZIBB e.V.), Dortmund (in Kooperation mit dem Landesverband Rheinland, gefördert von der Aktion Mensch).
So schützen wir uns vor Gewalt bei der Arbeit – Schutzkonzept in Leichter Sprache
In Zusammenarbeit mit dem Werkstattrat und der Frauenbeauftragten ist das Schutzkonzept in Leichter Sprache „So schützen wir uns vor Gewalt entstanden“. Es steht in gedruckter Form für alle Beschäftigten, Mitarbeiter*innen und Interessierten zur Verfügung. Es beschreibt die verschiedenen Formen von Gewalt, es beschreibt, wo man Hilfe bekommt und welche Regeln es gibt.
Bubl – unabhängige Beschwerdestelle Bundesvereinigung der Lebenshilfe
Die Bundesvereinigung Lebenshilfe hat Bubl ins Leben gerufen. Bubl – das bedeutet bundesweite unabhängige Beschwerdestelle für die Lebenshilfe. Menschen mit Behinderung, die von der Lebenshilfe betreut werden, können sich bei Bubl melden, wenn sie eine Beschwerde haben und diese vor Ort nicht klären können. Auch ihre Angehörigen und Freunde sowie Mitarbeiter*innen der Lebenshilfe können sich an Bubl wenden.
Weitere Informationen: www.bubl.de
Die Informationen zu Bubl hängen in den Betriebsstätten aus.
Botschafter*innen für Vorbeugung und Schutz
In der Kooperations- und Verpflichtungsvereinbarung des Netzwerks zur Vorbeugung und Schutz vor Gewalt in der Eingliederungshilfe NRW verpflichten sich die Netzwerkpartner*innen Beschäftigte zu Botschafter*innen auszubilden. Diese fungieren als Ansprechpartner*innen für ihre Kolleg*innen im Kontext Gewalt. Die Botschafter*innen sind Teil des NRW Netzwerks.
Internes Beschwerdemanagement
Im Qualitätsmanagement der LHW ist das Beschwerdemanagement geregelt, mit dem Zweck, alle relevanten Beschwerden aufzugreifen und aufzuarbeiten. Dies geschieht nach festlegten Standards. Erste Anlaufstation für die Mitarbeiter*innen und Beschäftigten sind die Gruppenleiter*innen bzw. der Soziale Dienst. Dieser informiert je nach Sachverhalt zeitnah die direkten Vorgesetzten, die Leitung Bildung und Soziales und die Fachkraft für Vorbeugung und Schutz. Je nach Tatbestand ist die erweiterte Geschäftsleitung mit einzubeziehen.
Der Werkstattrat und die Frauenbeauftragen bieten regelmäßig Sprechstunden an. Tauchen dort Beschwerden auf, werden diese mit der jeweiligen Vertrauensperson kommuniziert und ggfls. an den SD und die Fachkraft Vorbeugung und Schutz weitergeleitet. Der Arbeitskreis, verantwortlich für die Konzepterstellung und Implementierung stellt in jeder Betriebsstätte eine Ansprechpartner*in zu Verfügung. Diese sind allen Mitarbeiter*innen und Beschäftigten bekannt.
Werkstattrat und Frauenbeauftragte
In jeder Betriebsstätte hängt ein Beschwerdebriefkasten. Es gibt ein einheitliches Formular. Dieses hängt zum einen neben dem Briefkasten, liegt am Empfang und in den Gruppen aus Es ist erhältlich beim Sozialen Dienst, den Werkstattverwaltungen, den Werkstattratsvertreter *innen und Frauenbeauftragten. Die Verfahrenswege sind über den Werkstattrat, die Gruppensprecherversammlungen kommuniziert. Eine Prozessbeschreibung ist auf Laufwerk (Y:) Prävention-Intervention-bei-Gewalt hinterlegt.
Zentrale Stelle Vorbeugung und Schutz
Der Träger hat eine zentrale Anlaufstelle für alle Fragen rund um das Thema Vorbeugung und Schutz. Die Fachkraft Vorbeugung und Schutz (FVS) ist Ansprechpartnerin für Mitarbeitende und Beschäftigte. Sie bietet in einem geschützten Rahmen Austausch/Gespräche/Reflektion für alle Fragestellungen bezüglich des Themenkomplexes Schutz und Prävention an. Sie ist Ansprechpartnerin bei grenzverletzenden Vorfällen (siehe Handlungsleitfäden). Die interne Fachkraft unterliegt der Schweigepflicht. Gespräche können auf Wunsch auch an einem neutralen Ort stattfinden. Das Angebot des Trägers ist freiwillig.
Die Aufgaben der FVS umfassen u.a.:
- Die Unterstützung bei Fragen zu den Themen Grenzverletzung, Übergriffe bis hin zu Gewalt
- Die Sensibilisierung für das Thema Prävention
- Weiterentwicklung des Schutzkonzeptes
- alle Anfragen bezüglich Fort – Weiterbildungsbedarfe, Inhouse-Schulungen aufzunehmen und an die entsprechenden Stellen weiterzuleiten
- Vermittlung externer Beratung
Bausteine zur Intervention
Ein Interventionskonzept gibt in herausfordernden Situationen Orientierung sowie Handlungssicherheit und trägt zu einem professionellen Vorgehen bei. Im Folgenden werden zentrale Elemente unseres Interventionskonzepts vorgestellt. Damit dieses im Notfall greift, muss es auf konkrete Situationen und Rahmenbedingungen abgestimmt sein. Es muss allen Mitarbeiter*innen, Beschäftigten und Beteiligten bekannt und zugänglich sein.
Bei den Maßnahmen der Intervention ist zu unterscheiden, von wem die Gewalt ausgeht:
- von Mitarbeiter*innen
- von Beschäftigten
- von Außenstehenden
Die folgenden Angebote sowie Maßnahmen zur Intervention haben zum Ziel, Grenzverletzungen und Übergriffe am Arbeitsplatz möglichst schnell zu erkennen und zu beenden. Verantwortlich für die Verdachtsabklärung und Intervention ist der Träger bzw. sind die Personalverantwortlichen. Verantwortung im Sinne einer Garantenstellung tragen auch die Mitarbeiter*innen, zu deren Aufgaben es u.a. gehört, für die Sicherheit der Beschäftigten zu sorgen.
Hinweise und Verdachtsmomente
Grenzverletzungen sowie Übergriffe oder andere Formen von Gewalt lassen sich – sofern man nicht Zeuge/Zeugin des Übergriffes ist – nicht immer sofort und mitunter nur schwer erkennen. Viele Betroffene können und wollen nicht über das Erlebte sprechen und schämen sich für das, was ihnen widerfahren ist.
Für Menschen mit Behinderungen kommt erschwerend hinzu, dass sie beispielsweise in ihrer sprachlichen Ausdrucksweise eingeschränkt sein können oder dass sie nicht wissen, dass das, was sie erlebt haben bzw. erleben, eine Grenzverletzung, ein Übergriff oder Gewalt ist. Auch wenn von Gewalt Betroffene sich nicht anvertrauen und nicht von dem Erlebten berichten (können), kann es sein, dass sie zum Beispiel in ihrer Hilf- und Sprachlosigkeit auffällig werden, um auf ihre Not hinzuweisen. Eine plötzliche Verhaltensänderung und/oder erhebliche Abweichungen vom üblichen Verhalten können Hinweise für das Erlebte sein.
Wichtig ist, Verhaltensauffälligkeiten und Äußerungen ernst zu nehmen und eine Form von Gewalt als mögliche Ursache mit in die Überlegungen einzubeziehen.
Symptome und Verhaltensweisen müssen immer vor dem Hintergrund der individuellen Situation des Beschäftigten interpretiert werden.
Generell gilt es, Äußerungen und Andeutungen von Betroffenen sowie von Zeuginnen und Zeugen unbedingt ernst zu nehmen, unabhängig davon, wie vage die Hinweise sind (siehe auch 7. Handlungsabläufe).
Hilfreich können für ein Gespräch folgende Punkte sein:
- Reagieren sie ruhig und überlegt
- Nehmen sie sich Zeit und hören sie aufmerksam zu
- Schaffen sie eine Vertrauensbasis
- Überlassen sie dem Gegenüber, wann er/sie etwas erzählen möchte
- Stellen sie offene Fragen. Was ist passiert? Wann? Wo
- Nehmen sie keine Bewertungen oder Spekulationen vor
- Stellen sie körperliche Auffälligkeiten oder/und Verhaltensauffälligkeiten fest
- Bevor sie zu einer Einschätzung kommen, beraten sie sich mit Kolleg*innen, im Team
- Kontaktaufnahme mit Fachkraft Vorbeugung und Schut
- Dokumentieren sie alles zeitnah!
Einige Beispiele von Signalen und Symptomen sind nachfolgend als Orientierung aufgeführt.
Hinweise
- plötzliche und/oder verstärkte Verhaltensauffälligkeite
- Ängstlichkei
- Leistungsabfal
- Rückzugstendenze
- verbale Andeutungen und Umschreibungen, auch extrem sexualisierte Sprach
- nonverbale Äußerungen (z. B. Zeichnungen, Nachstellen von grenzverletzenden Handlungen
- stark sexualisierte Verhaltensweise
- Psychosomatische Beschwerden (Kopf/Bauchschmerzen, Schlafstörungen, Hauterkrankungen, etc.
- Gewichtszunahme/Abnahm
- extreme Müdigkeit
- dissoziative Verhaltensweise
- aggressives Verhalten gegenüber sich selbst und/oder andere
- Wahrnehmungsstörunge
- regressives Verhalte
- plötzliche Schwindelanfälle (in Zusammenhang mit Flashbacks
- auffällige Aversionen gegenüber anderen Menschen, erhebliche Störungen der Kontaktfähigkeit über das behinderungsspezifische Maß hinau
- Suchtproblemati
- Depressione
- Atembeschwerde
- Angst- und Panikattacke
- unangemessene Heimlichkeiten oder teure Geschenke, deren Herkunft unklar ist
Vermutungsabklärungen
Bei einer Vermutung oder einem Verdacht gilt grundsätzlich:
- Ruhe bewahren!
- Keine Alleingänge!
- Präzise Dokumentation!
Die Vermutung oder die Konfrontation mit einem Verdacht, gar die Zeugenschaft bei Grenzüberschreitungen, lösen bei Mitarbeiter*innen unterschiedliche Gefühle und Reaktionen aus. Zum Schutz der betroffenen Personen ist es wichtig, sich dieser Gefühle einerseits bewusst zu sein und sich andererseits nicht davon zu unüberlegten Handlungen verleiten zu lassen.
Handlungsabläufe helfen dabei, keine unüberlegten Schritte einzuleiten, Zuständigkeits- und Verantwortungsbereiche zu berücksichtigen und das Vorgehen so zu planen, dass eine langfristige Wirkung zum Schutz der Betroffenen erzielt werden kann.
Die Berufsgenossenschaft – Meldung als Arbeitsunfall
Jeder Gewaltvorfall ist als Arbeitsunfall zu bewerten und an die zuständige Berufsgenossenschaft zu melden, auch wenn keine unmittelbare Arbeitsunfähigkeit vorliegt.
Die BGW bietet unterschiedliche Unterstützungsleistungen an www.bgw-online.de
Zur unfallunabhängigen psychologischen Unterstützung gibt es eine:
Telefonische Krisenberatung für BGW-Versicherte – bgw-online.
Monitoring- und Beschwerdestelle
Seit 15.08.2023 gibt es die Monitoring und Beschwerdestelle nach dem Wohn-und Teilhabegesetzt in Nordrhein-Westfalen.
Diese Stelle hat das Land NRW eingerichtet, um Transparenz im Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen (FEM) zu schaffen. Sie ist eine unabhängige Stelle.
Wird im Zusammenhang mit FEM etwas erfahren oder beobachtet, und es besteht Unsicherheit, was soll getan werden, dann können sich Personen bei dieser Stelle melden. Weitere Informationen: www.lbbp.nrw.de/monitoring-und-beschwerdestelle-nrw
Hinweisgeberschutzgesetz
Das Hinweisgeberschutzgesetz in Nordrhein-Westfalen (NRW) ist ein Gesetz, das den Schutz von Personen stärkt, die auf Missstände oder Verstöße hinweisen. Das Gesetz schützt hinweisgebende Personen, auch bekannt als “Whistleblower”. Sie können Verstöße gegen das Unionsrecht melden, ohne negative Konsequenzen fürchten zu müssen.
An eine unabhängige Meldestelle (Hinweisgebersystem) können Personen vertraulich Hinweise auf mögliche Verstöße oder Missstände im Unternehmen geben.
Das Hinweisgeberschutzgesetz ist eine wichtige Maßnahme, um Transparenz und Integrität in Unternehmen zu fördern und diejenigen zu schützen, die auf Missstände hinweisen.
Weitere Informationen: www.landtag.nrw.de
Nachsorge
Jegliche Form von Gewalterfahrung wirkt unterschiedlich nach. Alle am Prozess beteiligten Personen überlegen, welche wirksamen Maßnahmen getroffen werden können, um einen angemessen Schutz zu gewährleisten. Dies können z.B. eine räumliche Trennung der Betroffenen sein, ein Standortwechsel, Supervision, kollegiale Fallberatung, externe Beratung und mehr.
Dokumentation und Datenschutz
Alle Arten von grenzverletzendem Verhalten, auch z.B. die Androhung von Gewalt müssen dokumentiert werden. Vorfälle im Arbeitsalltag, die erst mal als „Kleinigkeiten“ bewertet werden, sind zu dokumentieren, Dies kann hilfreich sein, um Zusammenhänge und/oder Muster im Verhalten zu erkennen. Die Dokumentation hilft bei der Gefährdungsbeurteilung, der Festlegung von Präventionsmaßnahmen und der Entwicklung von Maßnahmen zur Nachsorge. Die Dokumentation dient auch der rechtlichen Absicherung beteiligter Personen, wenn beispielsweise Menschen verletzt worden sind.
Für die Dokumentation einer Vermutung, eines Berichtes oder einer Beobachtung eines Vorfalls stellt der Träger einrichtungsinterne Dokumentationsbögen im Intranet zur Verfügung (QMS (Y:) Prävention-Intervention-bei-Gewalt !). Parallel ist die Fachkraft für Vorbeugung und Schutz und die QMB zu informieren. Diese vergeben eine Beschwerdenummer, um den Vorfall in das Beschwerdemanagement aufzunehmen.
Je nach Vorfall werden schriftliche Dokumente in der Personalakte aufbewahrt und dienen zum Beispiel bei einer späteren Strafanzeige oder einem arbeitsgerichtlichen Verfahren als Unterstützung.
Bei Beschäftigten ist eine Vermutung, ein Bericht oder eine Beobachtung eines Vorfalls zusätzlich in Micos zu dokumentieren. Ferner steht das Verbandsbuch zur Dokumentation zur Verfügung.
Dokumentationen werden gegebenenfalls benötigt, wenn arbeitsrechtliche Sofortmaßnahmen gegen die übergriffigen Personen getätigt werden sollen.
Die Beschreibungen sollten in jedem Fall ohne Interpretation erfolgen; es muss notiert werden, wer, wann, was, wie gesagt und/oder getan bzw. beobachtet hat. Als Unterstützung stellt der Träger einen Leitfaden zur Dokumentation (siehe QMS (Y:), Prävention-Intervention-bei-Gewalt !) und einen Selbstreflexionsbogen zur Verfügung, der dem persönlichen Gebrauch und der eigenen Vergewisserung sowie Absicherung dient.
Grundsätzlich gilt, dass es bei der Verdachtsabklärung um hochsensible Sozialdaten geht und daher die Bestimmungen zum Datenschutz unbedingt einzuhalten sind. Auch wenn der Datenschutz nicht greift, ist Vorsicht geboten: Wer über einen Verdacht spricht oder eine konkrete Person einer Straftat beschuldigt, kann sich unter Umständen der üblen Nachrede schuldig machen, sollte der Vorwurf letztlich nicht bewiesen werden können.
Die Handlungsabläufe
Handlungsabläufe können helfen bei Vorfällen, wie beispielsweise Grenzverletzungen oder Übergriffe, keine unüberlegten Schritte einzuleiten und Zuständigkeiten und Verantwortungsbereiche zu berücksichtigen. Hierzu stellt die LHW drei Handlungsabläufe für die Mitarbeiter*innen zur Verfügung. Im Sinne des Qualitätsmanagements werden diese ins firmeneigene Intranet eingestellt.
Der Träger differenziert aufgrund unterschiedlicher Vorgehensweisen nach verschiedenen übergriffigen Personengruppen:
- Vorgehen bei Verdacht durch eine Beschäftigte, einen Beschäftigten
- Vorgehen bei Verdacht durch eine Mitarbeiterin, einen Mitarbeiter
- Vorgehen bei Verdacht durch eine Außenstehende/ einen Außenstehenden
Netzwerke
Vernetzung dient dem Austausch, der Information und der Weiterbildung sowie der gegenseitigen Unterstützung mit dem Ziel, Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen zu sensibilisieren im Idealfall verhindern. Die Vernetzung mit anderen Einrichtungen und Fachkräften sollte daher frühzeitig und unabhängig von Verdachtsfällen angeregt sowie als regelmäßiger Bestandteil der Arbeit etabliert werden.
Sollte es im Rahmen beispielsweise von primär-präventiven Maßnahmen zur Aufdeckung von grenzüberschreitendem, übergriffigem oder gewalttätigem Verhalten kommen und Interventionsschritte notwendig werden, ist die Vernetzung mit anderen Einrichtungen/Institutionen und Fachkräften von elementarer Bedeutung. Bei einer Intervention bedarf es der unterschiedlichen Kompetenzen aus pädagogischen, psychologischen, medizinischen Bereichen und ggfls. polizeilichem und juristischem Beistand. Darüber hinaus schützt eine gute Kooperation und Vernetzung mit den genannten Expert*innen davor, sich selbst zu überfordern und bewahrt vor dem Gefühl, die alleinige Verantwortung für den Schutz und die Sicherheit der Betroffenen zu tragen.
- Netzwerk NRW für Vorbeugung und Schutz vor Gewalt
Durch die Kooperations- und Verpflichtungsvereinbarung des Netzwerks zur Vorbeugung und Schutz vor Gewalt in der Eingliederungshilfe NRW ist der Träger, vertreten durch die FVS, Teil des Netzwerks. Ziel des Netzwerks ist es, sich in NRW zusammenzuschließen, um deutlich für die Themen Gewalt und Gewaltprävention in der Eingliederungshilfe zu sensibilisieren und Gewaltprävention zu fördern. - Interne Ansprechpartner
Der Träger bietet sowohl für die Beschäftigten als auch für die Mitarbeiter*innen standortbezogen eine Ansprechpartnerin bzw. einen Ansprechpartner an. Darüber hinaus ist der Soziale Dienst eine erste Anlaufstation. Dieser erstellt eine Situationsanalyse und leitet erste Schritte ein. Die Ansprechpartner*innen sind in den einzelnen Niederlassungen über die bestehenden Kommunikationskanäle bekannt und im Intranet benannt. Die Beschäftigten werden über den Werkstattrat, die Frauenbeauftragten und deren Vertrauenspersonen sowie in den Gruppensprechversammlungen informiert. - Externe Fachkräfte
Wer von einer betroffenen Person ins Vertrauen gezogen wurde oder selbst etwas Verdächtiges wahrgenommen hat, hat die Möglichkeit eine externe Fachkraft oder eine Beratungsstelle aufzusuchen, um zunächst für sich selbst zu klären, ob die eigene Wahrnehmung einen Verdacht begründet und wie weiter vorgegangen werden kann. Die in eine Verdachtsabklärung involvierten Mitarbeiter*innen sowie die Personalverantwortlichen können in diesem Prozess von spezialisierten Fachkräften begleitet und unterstützt werden. Der Träger verfügt im Sozialraum über ein solches Netzwerk. Die Ansprechpartner*innen sind beim Sozialen Dienst hinterlegt.
Anlagen / Downloads
Hilfreiche Links und Literaturhinweise
Leitfäden gegen (sexualisierte) Gewalt in Einrichtungen
- Gewalt in Diensten und Einrichtungen verhindern – eine Praxishilfe der Bundesvereinigung Lebenshilfe, April 2016
- Checkliste Gewaltprävention Gewalt vermeiden, mit Würde begegnen, selbstbestimmt teilhaben können, Dezember 2017
Leitlinien zum Umgang mit und zur Prävention von sexueller Gewalt des Bundesverbandes Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie, 2012
Handlungsempfehlungen und Muster Dienstvereinbarungen zum Umgang mit Grenzverletzungen, sexuellen Übergriffen und sexueller Gewalt gegen Menschen mit Behinderung in voll- und teilstationären Einrichtungen der Behindertenhilfe
Überlegt handeln in Umgang mit sexueller Gewalt – Leitfaden für Fachkräfte in Einrichtungen der Behindertenhilfe
www.praevention-erzbistum-koeln.de
Schriftenreihe Institutionelle Schutzkonzepte in Einrichtungen der Erwachsenenhilfe
www.beauftragter-missbrauch.de
Informationen zu Schutzkonzepten
Formulierungsvorschlag für Dienstanweisungen und Ergänzungen zu Arbeitsverträgen
Schutz vor sexualisierter Gewalt in Diensten und Einrichtungen der Behindertenhilfe, Psychiatrie, Suchthilfe, Straffälligen Hilfe, Wohnungslosenhilfe und Selbsthilfe, 1. Auflage Oktober 2013
Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Grenzverletzungen, sexuellen Übergriffen und sexueller Gewalt gegen Menschen mit Behinderung
Beratung
Beratung für Frauen mit Behinderung von Frauen mit Behinderung Netzwerke behinderter Frauen
www.lvr.de , Stabsstelle Gleichstellung und Gendermainstreaming
Beratungsstellen mit Beratungsangeboten speziell für behinderte Frauen
Beratung für Männer mit Gewaltproblemen in der Behindertenhilfe (Darmstadt)
Sexualpädagogische Beratung
Datenbank mit (barrierefreien) Frauennotrufen + Frauenberatungsstellen
Materialien
Sexualpädagogische Materialien
Studie „Lebenssituationen und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland“ Gewalterfahrungen von in Einrichtungen lebenden Frauen mit Behinderung
Hessisches Koordinationsbüro für Frauen mit Behinderung Angebote/Berichte
https://beauftragter-missbrauch.de
Handbuch Schutzkonzepte sexueller Missbrauch, Projekt: Mädchen sicher inklusiv
https://www.land.nrw/de/tags/gewaltschutzkonzept
Informationen zum Thema Gewalt gegen Frauen mit Behinderung
Prävention im Sozialwerk St. Georg e.V.
Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit häusliche Gewalt
pro familia Darmstadt, Beratung für Männer mit Gewaltproblemen in der Behindertenhilfe
Fortbildung/Seminare
unterschiedliche Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe
Institut für Sexualpädagogik
Frauenhaus